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Paula
#1
Hallo ihr Lieben,

hier geht auch ausnahmsweise mal nicht um Hugo und Kira, sondern um Paula. Wegen ihr mussten wir am heiligen Sonntag viel zu früh und völlig ungewohnt zu fast nachtschlafender Zeit die kuscheligen Betten verlassen. Brrrr... kalt und ungemütlich war das, kann ich euch sagen. Aber wenn man um 9.00 Uhr in Kaiserslautern sein muss, dann muss man eben mal eine Ausnahme machen und auch an einem Sonntag früh aufstehen. Es war ja für einen guten Zweck. Also quälte ich mich als erste aus dem Bett, heizte den Ofen an, legte Kleidung für Felix zurecht und hüpfte unter die Dusche. An dieser Stelle muss ich dem besten aller Ehemänner danken, dass er so bereitwillig mitgespielt hat und auch an diesem Morgen wir nicht ohne einen Kaffee und ein halbwegs ordentliches Frühstück das Haus verlassen mussten. Ja --- er hat wie jeden Morgen den Kaffee frisch gemahlen und von Hand aufgebrüht, derweil ich unter der Dusche stand. Felix fand den Weg nach unten zum Frühstückstisch nicht ganz so voller Elan wie sonst. Seine Geister wurden erst nach und nach wach. Da der kleine Mann aber wusste, dass es wichtig war, bemühte er sich redlich uns zu unterstützen. Er ist schon ein feines Kerlchen unser Felix.

Nach dem Frühstück, dass aus besagtem herrlichen Kaffee und Zwieback in heißer Milch bestand, wurden noch die Hunde und Vögel versorgt. Letztere schienen recht erstaunt. Ich denke fast sie haben eine Art siebentägigen Kalender, denn es war ihnen definitiv noch zu früh. Dann ging es los. Ab auf die Autobahn - fast. Nach hundert Metern fiel mir ein, ich hatte was vergessen. Also noch mal zurück und dann einen neuen Anlauf genommen. Kurze Zeit später waren wir dann auf der Piste. Alles war sortiert, dass Kind zufrieden ins mitgebrachte Kissen gekuschelt, das Navi eingestellt, so konnte es nun los gehen. Errechnete Ankunftszeit 8.45 Uhr. Prima. Wäre da nicht ein verhängnisvolles Schild aufgetaucht. Vollsperrung! Also auf die Umleitung. Korrektur des Navigationsgerätes 9.45 Uhr. Schitt.

Was man nicht ändern kann, nimmt man eben hin. Irgendwann gegen 9.00 Uhr informierte ich unsere Betreuerin per SMS in Sachen Paula, dass wir 45 Minuten Verspätung haben würden und hoffte auf einen trotzdem guten Ausgang. Kurz darauf kam das gewohnte:" Mama, wie lange noch?", aus dem Fond. "Schatz, noch ein Weilchen." Dann kam, was immer kommt:" Mama, ich muss mal!" "O.K., seufzte ich ergeben."
Also erreichten wir Kaiserslautern nicht mit 45 Minuten Verspätung, sondern eine Stunde später.

Am vereinbarten Treffpunkt war keine Menschenseele zu entdecken. Hatten wir sie verpasst? Wir sahen uns um und fanden ein Klingelschild. Mal versuchen! Nichts rührte sich. Oder doch? Eine junge Frau öffnete uns und bat uns ihr zu folgen. "Nein, der Transport ist noch nicht eingetroffen. In Frankreich gab es Probleme." "Probleme?", mir rutschte das Herz eine Etage tiefer und ich musste schlucken. Dann bogen wir um eine Hausecke und fanden uns in einem ziemlich zugigen Innenhof mit angrenzendem Garten wieder. Hier standen schweigend andere Menschen in der Kälte und hielten dampfende Kaffeebecher in den Händen. Mein Mann wisperte mir zu:" Gut das wir nicht pünktlich waren, guck mal, die sind schon alles steif gefroren!"

Besorgt drückte ich Felix an mich. Es war schon sehr ungemütlich. Tiefe Nebelschwaden zogen fast in Bodennähe vorüber und die feuchte Kälte kroch auch uns schneller als gedacht unter die Kleidung. Irgendwann zitterte Felix wie Espenlaub im Herbstwind. Ich bat Ferry mit ihm im Auto zu warten. Dann kam ein Raunen auf. Der Transporter wollte bald eintreffen. Mittlerweile war es 11.00 Uhr und freudige Erregung machte sich breit. Die Aussicht auf das baldige Eintreffen weckte die Lebensgeister und uns allen wurde irgendwie warm ums Herz.

Keiner wusste was uns erwarten würde. Bis auf die Mitglieder der Hilfsorganisation, waren die wartenden allesamt unerfahren. Keiner hatte seinen Schützling außer vielleicht auf einem Bild gesehen. In welchem Zustand würden sie sein. Schließlich hatten einige mehr als 22 Stunden Transport hinter sich. Ich hatte einen Kloß im Hals. Dann hieß es noch 10 Minuten. Mein gegenüber unterhielt sich mit mir, aber ich konnte und wollte nicht folgen, denn plötzlich kämpfte ich mit den Tränen. Ich hatte Bilder im Kopf, die ich eigentlich nicht haben wollte. Eine Dame sah das und meinte:" Ja, ja beim ersten ist es immer aufregend."

Ich ging zum Auto und informierte meine zwei Männer, dass es sich jetzt nur noch um Minuten handeln könnte. Eine der Organisatorinnen bat mich zu winken, wenn ich den Transporter sehen würde, damit er gleich hier her finden würde. Aber sie war dann plötzlich selbst so aufgeregt, dass sie dem Fahrzeug entgegen ging. Und dann bog er um die Ecke. Jetzt hielt es auch Mann und Kind nicht mehr im Auto. Der große Sprinter kam zum Stehen und auf dem Beifahrersitz saß ein riesiges pelziges Etwas. Als es aus dem Wagen kletterte entpuppte es sich als wahres Ungetüm, aber unglaublich freundlich. Ein junger Mastin Espaniol, mit geschätzten 30 Kilo Untergewicht drückte sich freudig an mich. Der Fahrer sah reichlich müde aus. Kein Wunder, er war seit Freitag Abend unterwegs.

Der Mann, im wahren Leben Dozent für EDV, versuchte das ungelenke Gefährt mit der wertvollen Fracht und dem sehr unhandlichen Wendekreis in eine Schleuse zu fahren. Das Gelände war doppelt gesichert. Aus gutem Grund. Wir folgten dem Fahrzeug und halfen beim verschließen der Schleuse. Das zweite Tor wurde geöffnet, es führte zu dem an den Innenhof grenzenden Garten. Die Aufregung wuchs. Dann wurden auch schon die ersten Transportboxen ausgeladen. Jetzt konnte man auch aufgeregtes bellen und Winseln hören. Mein Mann packte mit an und so sah er als erster Paula. Ich wartete mit Felix an der Hand in dem Garten. Er trug die Transportbox gemeinsam mit dem Fahrer zu mir. Jetzt kam sie und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Felix und ich sahen uns für einen Moment schweigend an. Wie immer verstanden wir uns ohne Worte. Und wie immer empfand ich tiefe Liebe für mein Kind, dass in so jungen Jahren schon ein so unsagbar Feines Gespür besitzt. Dann knieten wir beide vor der Box und sahen Paula in die dunklen Augen.

Paula ist eine sehr junge rot gestromte und zarte kleine Boxerhündin. Sie drückte sich in die Ecke der Box und wirkte total verwirrt. Kein Wunder. Ich konnte mir ausmalen, was sie in den letzten 12 Stunden erlebt hatte. Die kleine Hündin hatte noch Glück. Sie war die kürzeste Strecke mitgefahren. Diese Reise hatte sie aus einer Perrera fast Non Stop vom Norden Spaniens nach Deutschland geführt. Jetzt war sie in Sicherheit. Als der Transporter abgeladen war, alle 18 Boxen auf dem Rasen standen, wurde das zweite Tor geschlossen und es hieß:" Hunde raus." Einige schossen auch sofort hervor, andere trauten sich gar nicht und drückten sich noch tiefer in ihre Transportboxen. Paula zögerte erst, doch dann kam sie heraus und plötzlich herrschte ein wildes Durcheinander auf der Wiese. seltsamerweise gab es aber kein Gekläff oder gar Geknurr. Jetzt sahen wir, was die Tierschützer vor dem sicheren Tod gerettet hatten. Es war ein bunter Haufen der schönsten Hunde. Mischlinge, Rassehunde, verletzte oder unterernährte Tiere.

Was mich am meisten berührte war die Tatsache, dass es durchweg sehr junge Hunde waren. Hunde, die sich trotz der Umstände freundlich verhielten. Ich empfand, ich spürte plötzlich, was die Tierschützer dazu antreibt, diese Tiere vor dem sicheren Tod zu retten. Leben. Diese Hunde wollten leben. Das waren keine apathischen Wesen, die sich schon aufgegeben hatten, dem Menschen das Vertrauen entzogen hatten. Es waren vitale, lebendige, freundliche Geschöpfe. Und mitten darunter Paula. Plötzlich empfand ich eine große Erleichterung. Wir erledigten den Papierkram, unterhielten uns mit dem Fahrer und bedankten uns bei ihm, dass er die Tiere sicher hierher gebracht hatte. Der riesige Mastin Espaniol, 9 Monate jung, suchte wieder ein Opfer, dass ihn streicheln sollte. Er bestand nur aus Haut und Knochen und ganz viel Liebe. Liebe für Menschen.

Paula, typisch Boxer turnte ziellos durch die Hundegruppe. Ich pflückte sie heraus und leinte sie an. Dann verließen wir das Gelände. Wir blickten nicht zurück, sondern nach vorn. Für Paula sollte eine neue Zukunft beginnen. Wie selbstverständlich stieg sie ins Auto. Wie selbst verständlich rollte sie sich zu meinen Füßen ein. Als hätte es nie etwas anderes gegeben. Mein Mann lenkte den Wagen aus der Straße in Richtung Autobahn. Wir waren alle still, jeder hatte in dem Moment noch mit den Eindrücken und Gefühlen zu tun. Plötzlich meinte Felix: "Mama, es ist gut, dass wir hier her gefahren sind." Ich drehte mich zu ihm, drückte seine Hand und sagte:"Du hast Recht, mein Schatz." Zwei Minuten später, meinte er dass er Hunger habe. Er hatte sich genau gemerkt, wo es einen Burger King gegeben hatte und so kehrten wir zur Normalität zurück. Das Kind hat Hunger, ich brauchte einen ordentlichen Kaffee und eine Möglichkeit zum Händewaschen. Den Paula starrte vor Dreck und roch auch nicht wie der milde Frühling.

Also enterten wir das Fastfood-Restaurant und Paula kam selbstverständlich mit. Ob sie uns auch in Zukunft begleiten wird, werden wir noch entscheiden. Fürs erste ist sie bei uns gut aufgehoben. Ihre Flöhe haben wir schon entsorgt und der Rest wird sich finden. Sie muss noch viel lernen, wir sind aber schon auf dem besten Weg. Noch hat sie Probleme mit unserer Sprache. Aber mit einem Stückchen Wurst prägen sich Vokabeln wie "Sitz", "Hier", "Auf Platz" recht gut ein. Unser souveräner Boxer Lui unterstützt das Eingliederungsprogramm nach besten Kräften. Noch kann man sie kaum einen Moment alleine lassen. Aber das will man(n) (frau) auch gar nicht, denn Paula hat Charme. Sogar wenn sie klaut, das Sofa testet oder versucht über Tisch und Bänke zu gehen. Ein Blick in ihr Gesicht und man möchte ihr fast alles verzeihen. Aber wir sind Boxerleute mit Erfahrung. Wir wissen damit umzugehen... .
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#2


Schöne Geschichte... und gleich habe ich wieder an die Straßentiere in der Ukraine/Rumänien und Polen denken müßen...es macht mich sehr sehr traurig zu was für unmenschlicher Grausamkeit Menschen doch in der Lage sind.
Die Ukraine hat 600 Millionen € für den Bau von Fußballstadien ausgegeben und gerade mal 8600€ für die Kastration von Straßenhunden. Lieber betäuben sie die Vierbeiner und werfen sie wie Abfall bei noch lebendigem Leibe in ein mobiles Krematorium...Jahr ein Jahr aus :-(

Link doch bitte mal anschauen!


http://www.youtube.com/watch?feature=pla...gwmrOKFHEs
Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Váslav Havel
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